Was gibt es Schöneres als frisch verliebt zu sein? Jeder kennt das Hochgefühl, wenn schon ein Blick in die Augen des geliebten Menschen den Herzschlag erhöht und der Himmel voller Geigen hängt. Es ist eine Zeit, in der die Partner einander intensive körperliche und emotionale Nähe schenken und darin tiefe Erfüllung finden. Doch wie kann dieser gemeinsame Genuss von Liebe und Intimität so gestaltet werden, dass er auch in späteren, reiferen Beziehungsstadien miteinander erlebbar ist? Oder sind die sprichwörtlichen Schmetterlinge im Bauch nur den frisch Verliebten vorbehalten?
Aller Anfang ist Neugier
Zu Beginn einer Liebesbeziehung entdecken wir den Partner in all seinen Facetten und genießen diese Erkundungsreise in vollen Zügen. Wir lernen seine Eigenheiten und Vorlieben genauso kennen wie seinen Körper und freuen uns nach jedem prickelnden Zusammensein schon wieder auf die nächste Begegnung, in der wir einander von neuem finden können. Diese Entdeckerfreude erzeugt Lust aufeinander und ist auch schon einer der Schlüssel für den Erhalt eines erfüllten Liebeslebens. Wie also lässt sich die Neugier auf den Partner auch über längere Zeiten aufrechterhalten? Und womit weckt man im Gegenzug das Interesse des Partners auch nach Jahren immer wieder von neuem?
Eigenen Raum schaffen
Die Antwort liegt in dem eigenen Raum, den beide Partner für sich selbst – unabhängig voneinander – schaffen und pflegen. Aus diesem Raum treten die beiden Liebenden heraus, um sich in einer neuen Begegnung aneinander zu erfreuen, und in diesen Raum ziehen sie sich beizeiten auch wieder zurück. Essentiell ist hier die Erkenntnis und Akzeptanz des anderen als eigenständiges und souveränes Wesen, das nur sich selbst gehört. Daraus ergibt sich auch ein Gespür dafür, wann es Zeit ist zu gehen, um dem Partner Zeit und Raum für sich selbst zu lassen.
Mit diesem Raum ist hier einerseits die innere Haltung gemeint, die es Ihnen und Ihrem Partner ermöglicht, sich selbst als unabhängigen und – trotz aller Liebe und Hingabe – freien Menschen zu erleben. Andererseits bezeichnet dieser Raum auch ganz konkret die Art und Weise, wie Sie Ihr Leben, Ihren Alltag und die Partnerschaft gestalten – mit und ohne einander. Die Möglichkeiten zur Gestaltung des eigenen Raumes sind vielfältig:
- eigene Interessensgemeinschaften
- das regelmäßige Ausüben eines Hobbys ohne den Partner
- die Pflege von eigenen Freundschaften
- auch mal allein in den Urlaub fahren
- im gemeinsamen Haus ein eigenes Zimmer bewohnen
Gerade das eigene Schlafzimmer kann bei sexueller Lustlosigkeit für eine sehr angenehme und reizvolle Distanz sorgen, aus der heraus Sie sich dem Partner immer wieder nähern oder zu sich einladen können – und zwar dann, wenn Ihnen und Ihrem Partner wirklich danach ist.
Sich selbst spüren
Um eine Partnerschaft in dieser Weise gestalten zu können, ist es von großer Wichtigkeit, sich selbst gut zu kennen und die eigenen Grenzen zu spüren. Genügend Zeit mit sich selbst und in der Stille zu verbringen – zum Beispiel in der Natur – kann hierbei sehr förderlich wirken. Der achtsame Umgang mit den eigenen Bedürfnissen ist eine Grundvoraussetzung dafür, auch auf die Bedürfnisse des Partners eingehen und dessen Grenzen respektieren zu können. Das bedeutet auch, nur dann „Ja“ zu sagen, wenn Ihnen wirklich nach einem „Ja“ zumute ist. Ganz besonders gilt dies für die Einladung zum erotischen Spiel, welches für die meisten Menschen einen enorm wichtigen Faktor für das Erleben von Erfüllung in einer Partnerschaft darstellt. Ein authentisches „Nein“ zum richtigen Zeitpunkt ist daher einer der Pfeiler für die Basis, auf der Lust und Erotik gedeihen können. Das gilt für frisch Verliebte genauso wie für das Paar in einem reiferen Beziehungsstadium.
Wenn das Prickeln verschwunden und die Lust auf den Partner nicht mehr so stark ist wie in der Anfangsphase der Beziehung, muss dies nicht unbedingt auf tieferliegende Probleme hinweisen. Im Laufe einer Partnerschaft gewinnen unterschiedliche Aspekte des Miteinanders an Bedeutung und verlieren andere. Dies ist ein völlig natürlicher Prozess auf dem Weg des Miteinanders, der den gemeinsamen Erfahrungsschatz bereichert und belebt. Ausschlaggebend ist nur, ob sich die beiden Partner dabei miteinander wohlfühlen. Wenn einer der beiden Partner zu leiden beginnt, ist eine genauere Betrachtung der vorhandenen Beziehungsmuster empfehlenswert.
Eine neue Sexualität
Auf dem Weg zu einer reifen Partnerschaft, die sich auf dem Respekt vor der Eigenständigkeit des anderen begründet, liegt oft auch ein neues Verständnis von Sexualität. Es handelt sich dabei um einen spielerischen, sanften Austausch zwischen Mann und Frau, der – anders als im klassischen Verständnis von Sex – nicht ausschließlich auf den Höhepunkt und die damit einhergehende Befriedigung und Entspannung ausgerichtet ist. Vielmehr lernen die Liebenden hier durch das Entdecken der erotischen Langsamkeit ganz neue Qualitäten im Austausch mit ihrem Partner und letztlich diesen selbst neu kennen. Alteingefahrene Muster werden aufgebrochen, indem Mann und Frau einander auf einer höheren sexuellen Ebene begegnen und kennenlernen können. Eine Ebene, die gerade der weiblichen Sexualität sehr entspricht, da sie die Präsenz der Lust genauso integriert wie ihre Abwesenheit – ein Spiel der Gezeiten wie Ebbe und Flut, wie sie zum Beispiel in den tantrischen Formen des Liebesspiels praktiziert wird.
Wenn Sie also unter sexueller Langeweile leiden, ist es vielleicht an der Zeit, über eine andere Form der menschlichen und erotischen Begegnung nachzudenken – eine, die das Feuer Ihres Liebeslebens von neuem entfacht. Viel Freude beim Entdecken!
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